Nichts geht mehr

Das Jahresende naht. Ansprüche der Verbraucher drohen dann ein für allemal zu verjähren. Doch bei Geldanlagen verjähren manche Forderungen auch schon früher – oder später. Die Rechtslage ist kompliziert. Viele Anleger sind verunsichert.

Da gibt es zunächst den § 37 a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Diese Vorschrift sorgte bis zu ihrer Abschaffung im August 2009 dafür, dass Banken und andere Finanzdienstleistungsinstitute sich drei Jahre nach dem Verkauf von Aktien, Investmentfonds, Zertifikaten etc. die Hände reiben können, wenn die Kunden ihre Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung nicht geltend gemacht haben, weil sie unter Umständen noch gar nicht wussten, dass ihnen ein wirtschaftlicher Schaden droht. Taggenau drei Jahre nach Abschluss des Geschäfts ist es nach diesem Paragrafen mit den Ansprüchen vorbei. Die Forderung ist schlicht verjährt, unabhängig von der Kenntnis des Verbrauchers von seinem Schaden und von der Möglichkeit, den Gegner in die Haftung zu nehmen.

Geltend gemacht werden können dann allenfalls noch Ansprüche, die eine vorsätzliche Falschberatung zum Gegenstand haben. Hier kommt insbesondere die fehlende Aufklärung über die von der Bank vereinnahmte Vertriebsprovision (sog. Kickback, s.u.) in Betracht.
Ansprüche, die sich aus einer Falschberatung hinsichtlich anderer Kapitalanlagen vornehmlich des Grauen Kapitalmarkts ergeben können, verjähren nach §§ 195 ff. BGB. Das bedeutet, dass der Beginn der dreijährigen Verjährung erst mit Kenntnis von dem Sachverhalt beginnt, der Schadensersatzansprüche auslöst. Spätestens zehn Jahre nach Abschluss des Geschäfts verjähren alle Ansprüche, selbst wenn der Anleger noch keine Kenntnis vom Schaden und seinem Anspruchsgegner hat. Da die frühere 30-jährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 per Gesetz auf drei Jahre verkürzt wurde und die 10-Jahresfrist ab diesem Zeitpunkt zählt, verjähren alle Altforderungen, die vor 2002 entstanden sind, am 31. Dezember 2011; somit ist es am Jahresende mit allen Altansprüchen vorbei. (Dies gilt übrigens nicht nur wegen Forderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen.) 

Achtung: Bei Ansprüchen aus im Jahr 2002 (oder später) abgeschlossenen Verträgen läuft die Maximalfrist taggenau zehn Jahre nach Anspruchsentstehung (also i.d.R. dem Vertragsschluss) und nicht erst am folgenden Jahresende ab!
Egal, ob Ihnen der AWD bei der Empfehlung einer Beteiligung an einem geschlossenen Fonds (Falk, Fundus, DLF o.ä.) die Höhe seiner tatsächlichen Provision oder bei einer atypisch stillen Beteiligung das Totalverlustrisiko verschwiegen hat, ob bei einem Erwerbermodell der Darlehensvertrag z.B. mit der Deutschen Bank von einem Vertreter, der kein Rechtsanwalt ist (z.B. einer Steuerberatungsgesellschaft), geschlossen wurde oder die Bank (z.B. HypoVereinsbank), die ständig mit dem Vertrieb und/oder Verkäufer der Wohnung zusammen gearbeitet hat, sie nicht darüber aufgeklärt hat, dass die Angaben des Vermittlers über die erzielbare Miete ins Reich der Fabel zu verweisen ist – alle Ansprüche, die sich aus derartigen Konstellationen ergeben könnten, verjähren zum Jahresende, wenn der Vertragsschluss vor 2002 erfolgte.

Es sollte daher jeder, der über eine derartige Anlage verfügt und noch nicht hat, rechtlich überprüfen lassen, ob Schadensersatzansprüche bestehen könnten, dies nun ganz schnell nachholen. In manchen Fällen hat sich erst aufgrund in letzter Zeit gewonnener Erkenntnisse oder einer geänderten Rechtsprechung ein Ansatzpunkt ergeben, einen Berater oder eine Bank in die Haftung zu nehmen. Insbesondere Kunden, denen von ihrer Bank eine geschlossene Beteiligung (z.B. ein Schiffs-, Medien- oder Immobilienfonds) empfohlen wurde, haben aufgrund der in den letzten Jahren (weiter) entwickelten sog. Kickback-Rechtsprechung Chancen, ihre Bank auf Rückabwicklung des Geschäfts und Ersatz entgangener Zinsen in Anspruch zu nehmen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nämlich entschieden, dass Banken die bei der Vermittlung geschlossener Beteiligungen verdienten Provisionen ihren Kunden vor deren Anlageentscheidung offenlegen müssen.
Die Banken haben diese ihnen abverlangte Transparenz hinsichtlich ihrer Eigeninteressen bei der Beratung in der Vergangenheit regelmäßig nicht hergestellt und können dies auch nicht glaubhaft behaupten. Damit ist die den Kunden grundsätzlich treffende Beweislast für die Falschberatung in dieser Konstellation meist keine Hürde.

Angesichts der Höhe dieser Provisionen (bei manchen Schiffsfonds z.B. 14 Prozent) ist auch nicht zweifelhaft, dass jedem Anleger deutlich geworden wäre, in welcher Interessenkollision sich sein Berater befindet hinsichtlich der Erwartung des Kunden, eine seinen Interessen entsprechende Anlage empfohlen zu bekommen einerseits und den Gewinninteressen der Bank andererseits. Die meisten Verbraucher hätten dann wohl die Finger von der Anlage gelassen. Die Verpflichtung zur Offenlegung bestand auch schon in den 1990er Jahren, wie die Banken es der BGH-Rechtsprechung hätten entnehmen können. Wenn die Finanzdienstleistungsinstitute trotz dieser Rechtslage ihre Mitarbeiter nicht entsprechend geschult und angewiesen haben, diese Verpflichtung zu erfüllen, kommt ein Organisationsverschulden der Bank und damit der Vorwurf einer vorsätzlichen Falschberatung in Betracht.

Damit kommen dann auch wieder Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Falschberatung in Bezug auf Investmentfonds und ähnliche Anlagen nach dem WpHG (s.o.) in den Blick: da die Anleger regelmäßig erst kürzlich erfahren haben, dass ihnen ihre Bank die erhaltene Provision bei Empfehlung der Geldanlage verschwiegen hat, können auch insoweit noch Ansprüche im Rahmen der 10-Jahres-Verjährungsfrist geltend gemacht werden.

Die Kunden sollten sich nicht länger vertrösten lassen, dass sich der Fonds schon irgendwann wieder erholen wird, sondern an die Bank herantreten und Ansprüche wegen Falschberatung geltend machen.

Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang ist, dass nach der Rechtsprechung des BGH der Schaden bereits mit dem Vertragsschluss eingetreten ist, unabhängig davon, ob die Beteiligung werthaltig ist. Entscheidend ist nämlich, dass die Anlage für die Zwecke des Kunden nicht passend war, weil dieser z.B. eine sichere Altersvorsorge wollte, die Beteiligung aber mit der Gefahr des Totalverlustes behaftet ist. Und die – für die Verjährung entscheidende – zeitliche Anknüpfung für die meisten Ansprüche ist der Vertragsschluss und nicht – wie viele Verbraucher denken – der Zeitpunkt, in dem sie erfahren haben, dass sie einen wirtschaftlichen Schaden erleiden werden.
Die Verbraucher sollten daher keineswegs weiter zuwarten, wie sich ihre Beteiligung entwickelt, wenn Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung in Betracht kommen.

Nicht ausreichend zur Hemmung der Verjährung ist es, ein Anspruchsschreiben an den Gegner zu versenden. Nur wenn sich der Anspruchsgegner auf ernsthafte Verhandlungen einlässt, also Vergleichsbereitschaft signalisiert, hemmen die Verhandlungen den Eintritt der Verjährung. Reagiert der Gegner nicht darauf oder lehnt er irgendwann – wahrscheinlich nach vielen Vertröstungsschreiben – die Forderung ab, so läuft die Verjährungsfrist währenddessen weiter. Will man nicht gleich Klage einreichen, bleibt die Möglichkeit, den zuständigen Bankenombudsmann einzuschalten oder bei der Öffentlichen Rechtsauskunft (ÖRA) ein Schlichtungsverfahren einzuleiten.

Unsere Expertinnen beraten Sie zu Ihren Ansprüchen bei einer schlechten oder gescheiterten Geldanlage, Termine unter (040) 24832-107.

 

Quelle:VBZ Hamburg