Fake News für Fakepower
Kürzlich wurde der Ostsee-Windpark Arkona in Betrieb genommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel war dabei. Die Wilhelmshavener Zeitung hat aus diesem Anlass ganzseitig die „Erfolgsgeschichte der Windkraft auf See“ gefeiert. Viele Zeitungen im gesamten Bundesgebiet dürften vergleichbare Berichte veröffentlicht haben. Leider wurden wichtige Fakten durch Fake-Angaben ersetzt. Damit erscheint der Off-Shore-Windstrom in einem rosigen Licht. Die Fakten sehen aber anders aus.
Der englische Begriff „Fake“ bedeutet Fälschung und Täuschung. Neben Fälschungen sind damit auch einseitige Angaben gemeint, die zu einer falschen Schlussfolgerung führen, also den Leser täuschen.
Dazu gehört der vom Wetter abhängige Windstrom als Strom zweiter Klasse. Er ist nicht planbar und deutlich teurer als Strom aus Dampf- und Gaskraftwerken. Mal gibt es zu viel, mal gibt es zu wenig davon. Bei Windstille fließt gar kein Strom. Ostern 2019 gab es bei kräftigen Winden mal wieder einen deutlichen Überschuss. Obwohl viele Anlagen abgeschaltet wurden (die Betreiber erhalten dann eine Ausfallvergütung für den nicht gelieferten und nicht benötigten Strom), mussten noch 5 Millionen Euro für die Beseitigung von Überschussstrom aufgewendet werden.
Dieser nicht regelbare und teure Strom wird von der Regierung und vielen Politikern den Bürgern als zukunftsweisend dargestellt. Das ist eine Täuschung. Der Stromverbraucherschutz NAEB bezeichnet daher zu Recht Wind- und Solarstrom als „Fakepower“.
Daten für Off-Shore-Windstrom
Die Journalisten Eckart Gienke, Hans-Christian Wöste und Birgit Sander haben in der Wilhelmshavener Zeitung folgende Daten für Off-Shore-Windstrom genannt:
Windräder: mehr als 1.300.
Installierte Leistung: 6,4 Gigawatt, entspricht 6 bis 7 großen Kern- oder Kohlekraftwerken.
Erzeugter Strom: 19 Terrawattstunden pro Jahr.
Voll-Laststunden: 4.500 pro Jahr.
Stromerzeugung: 363 Tage im Jahr.
Für den Windpark Arkona:
Windräder: 60
Installierte Leistung: 385 Megawatt, reicht für die Versorgung von 400.000 Haushalten.
Investitionen: 1,2 Milliarden Euro
Gestehungskosten: unter 10 Cent je Kilowattstunde, damit wettbewerbsfähig zu anderen Energieträgern.
Diese Tabellen enthalten eine Reihe von Falschaussagen und Täuschungen. Sie sofort zu erkennen, fällt schwer, weil zwischen Terra-, Giga-, Mega- und Kilowatt gewechselt wird.
Falschaussagen
Zunächst muss die Stromerzeugung bewertet werden. Für Off-Shore-Anlagen werden 4.500 Voll-Laststunden im Jahr angegeben. Teilt man jedoch die erzeugte Strommenge pro Jahr durch die installierte Leistung, kommt man nur auf knapp 3.000 Voll-Laststunden – eine gezielte Falschangabe.
Die Angabe, „die installierte Leistung von 6,4 Gigawatt entspreche 6 bis 7 großen Kern- oder Kohlekraftwerken“ ist, bezogen auf die installierte Leistung, richtig. Die Off-Shore-Windgeneratoren leisten im Jahresmittel jedoch nur 2,2 Gigawatt, während die Kraftwerke ihre installierte Leistung ganzjährig liefern. Sie müssen einspringen, wenn kein Wind weht. Windgeneratoren können keine Dampfkraftwerke ersetzen. Die Aussage ist eine grobe Täuschung.
Das gilt auch für die Behauptung, Off-Shore-Anlagen erzeugten 363 Tage im Jahr Strom. Dem Leser wird suggeriert, Windstrom vom Meer stehe ganzjährig zur Verfügung. Das ist ein Irrtum. Neben den aufgeführten zwei windstillen Tagen im Jahr gibt es noch viele Wochen mit schwachen Winden, die kaum zur Stromerzeugung beitragen, weil die Leistung mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit sinkt. Es gibt also viele Tage, an denen vom Meer kaum Strom kommt. Auch hier wird getäuscht. Es wird behauptet, mit dem Strom aus dem Windpark Arkona könne man 400.000 Haushalte mit Strom versorgen. Das ist falsch. Wenn kein Wind weht, wird kein einziger Haushalt versorgt.
Kosten werden verniedlicht und verschwiegen
Die Gestehungskosten für Off-Shore-Strom sollen inzwischen unter 10 Cent je Kilowattstunde liegen. Der neue Windpark Arkona gehört offensichtlich nicht dazu. Rechnet man 10 Prozent der Investitionskosten als Jahreskosten für Kapitaldienst, Betrieb und Wartung und teilt die Jahreskosten durch die erzeugte Strommeng, kostet die Kilowattstunde mehr als 10 Cent. Die Einspeisevergütung beträgt nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) in den ersten acht Jahren 19 Cent je Kilowattstunde. Das ist das 6-fache der Erzeugungskosten von Strom aus heimischer Braunkohle.
Die Leitungskosten zur Küste kommen hinzu: Der Strom muss auf einer Umspannungsplattform transformiert und dann per Seekabel zum Umspannwerk an Land geleitet werden. Die Kosten sind in den Netzgebühren versteckt, denn laut Gesetz sind die Betreiber der Übertragungsnetze zum Anschluss der Off-Shore-Windparks verpflichtet. Der Anteil der Netzgebühren an den Stromkosten ist inzwischen höher als die EEG-Umlage, die Stromerzeugungskosten oder die Mehrwertsteuer. Er wird mit jeder neuen Fakepower-Anlage weiter zunehmen.
Der Transport des Off-Shore-Stroms an Land kostet rund 5 Cent je Kilowattstunde. Durch Auslassen der Leitungskosten zum Land wird hier weiter getäuscht. Off-Shore-Strom kostet mindestens 15 Cent je Kilowattstunde, wenn er das deutsche Stromnetz erreicht.
Fakepower ist Strom zweiter Klasse
Es ist aber auch eine Täuschung, Fakepower mit Kraftwerkstrom gleichzusetzen. In beiden Fällen fließen zwar Elektronen. Die regelbaren Kraftwerke liefern den Strom jedoch nach Bedarf, während Wind- und Sonnenstrom von den Wetterlaunen abhängig sind. Mal gibt es zu viel, mal gibt es zu wenig Strom. Im ersten Fall müssen Anlagen abgeschaltet werden oder der Überschussstrom muss kostenpflichtig abgeleitet werden, um das Netz nicht zu überlasten. Im zweiten Fall bedarf es grundlastfähiger Dampfkraftwerke, die den Strombedarf sicherstellen. Wetterabhängier Wind- und Solarstrom ist zweitrangig und erfordert viel teure Regelleistung von Dampfkraftwerken.
Der Marktwert von Fakepower ist deutlich geringer als der von grundlastfähigem Strom. Das bleibt auch so, wenn Kosten für Dampfkraftwerke durch immer höhere Abgaben auf Kohlenstoffdioxid in die Höhe getrieben werden, um Fakepower marktfähig zu machen und so die EEG-Umlage abzuschaffen. Mit unzuverlässiger Fakepower kann kein stabiles Stromnetz aufgebaut werden. Dazu ist eine Grundlast von mindestens 45 Prozent des Stroms aus den großen Kraftwerken erforderlich, die Taktgeber für Frequenz und Phase im Netz sind. Es ist eine Täuschung, Deutschland mit 60 oder gar 80 Prozent Fakepower sicher und preiswert versorgen zu wollen. Auch entsprechende Bundestagsbeschlüsse ändern nichts daran. Die Physik wird sich nicht nach politischen Beschlüssen richten.
Fake-Angaben erkennen
Es bringt nichts, Fake-Meldungen zu verbieten. Sie werden immer wieder auftauchen, unabsichtlich, weil man eine Falschmeldung nicht erkannt hat, oder absichtlich, um die Meinung der Öffentlichkeit in eine gewünschte Richtung zu lenken, wie es für die Energiepolitik zurzeit geschieht. Jeder Einzelne muss mit dem gesunden Menschenverstand, den Grundrechnungsarten und ein paar physikalischen Grundlagen immer wieder überprüfen, ob Berichte glaubhaft sind oder Fake-Angaben enthalten. Es kostet etwas Mühe, die sich aber lohnt.
Dies sollte in den Schulen gelehrt und geübt werden. Leider ist das häufig nicht der Fall. Viele Lehrer und Erzieher indoktrinieren Kinder mit erschreckenden Zukunftsvisionen, ohne ihnen das Rüstzeug zu einer eigenen objektiven Bewertung zu geben. Die derzeitigen Demonstrationen „Fridays for Future“ haben die Schüler für die Energiewende und den Klimaschutz sensibilisiert. Es ist eine gute Gelegenheit, die Forderungen sachlich und objektiv in der Schule zu hinterfragen.
Wenn Leser so ausgebildet sind, werden sich auch die sogenannten Qualitätsmedien bemühen, wieder sorgfältiger zu recherchieren, statt einfach Fake-Berichte, wie in dieser Kritik dargestellt, zu übernehmen.
Prof. Dr.-Ing. Hans-Günter Appel
Pressesprecher NAEB e.V. Stromverbraucherschutz
www.NAEB.info und www.NAEB.tv
Größter Windpark in der deutschen Ostsee vor Rügen offiziell in Betrieb genommen
www.youtube.com/watch?v=1k6KoWG4MXg
19. April 2019 | MV1
Der größte Windpark in der deutschen Ostsee konnte am 16. April in Saßnitz-Mukran offiziell in Betrieb genommen werden. Im Rahmen einer großen Feier wurden die rund 60 Windräder zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und E.ON-Chef Johannes Teyssen in Betrieb genommen.
[1] Bildquelle: Von Ein Dahmer – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73324519
https://de.wikipedia.org/wiki/Offshore-Windpark_Arkona#/media/File:OWP_Arkona_5028.jpg
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