Anlegeranwälte und Emittenen: Mittelbarer Wettbewerb, Unterlassungsanspruch bei Falschbehauptung

Das Landgericht Hamburg verurteilte am 2. September 2008 die Betreiberin einer Anwaltskanzlei, die sich auf Kapitalanlegerschutz spezialisiert hat, unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro (ersatzweise Ordnungshaft) dazu, es zu unterlassen, zwei bestimmte Behauptungen zu verbreiten bzw. aufzustellen.

Dem ging voraus – wie dem Tatbestand des vorbezeichneten Urteils zu entnehmen ist (Quelle: http://openjur.de/u/31447.html) – dass Rechtsanwalt und B. e.V. Vertrauensanwalt M. G. und sein Kollege A. K. von einer auf das Kapitalmarktrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei in einer Pressemitteilung zitiert wurden (der eine mit einer der untersagten Äußerungen, der andere mit der zweiten). Diese Pressemitteilung hatte den Titel „BAC L T 11 – Schwerwiegende Prospektfehler gefährden die Investments der Anleger“.

Die Pressemitteilung wurde auf Websites des B. e.V. veröffentlicht. Im Tatbestand des Urteils wurde ausgeführt: „Der „B… e.V. (B..) ist ein eingetragener Verein, der für sich in Anspruch nimmt, Anlegern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bei ihm können sich Rechtsanwälte für eine Jahresgebühr von EUR 80,00 zzgl. USt. in eine Anwaltsdatenbank eintragen lassen. Der B… bietet an, die Kanzleien den Anrufern seines telefonischen Anwalts- und Sachverständigensuchdienstes zu benennen und die Homepage der Rechtsanwälte bei 35.000 internationalen Linklisten anzumelden.“

Die Antragstellerin entwickelte und vermarktete den streitgegenständlichen Fonds. Sie ging gegen die Betreiberin der Anwaltskanzlei (vermutlich die Sozietät) vor und gewann vor dem Landgericht Hamburg, weil nach den Feststellungen der Kammer mit den Äußerungen Tatsachenbehauptungen gegeben waren, die prozessual als unwahr zu gelten hatten. Damit waren sie im Ergebnis unlauter und verstießen gemäß dem Hamburger Urteil gegen das UWG (dort §§ 3, 4 Nr. 8 UWG). 2. Außerdem entschied die Kammer, dass der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch aus § 824 BGB zustand.

Anmerkung:

Auf Kapitalanlegerschutz spezialisierte Kanzleien wünschen sich – wie alle anderen Kanzleien auch – Mandate. Mandate lassen sich am Besten dort generieren, wo es Probleme oder aus der Sicht des Anlegers rechtlichen Handlungsbedarf gibt. Dabei gilt es aber grundsätzlich auch, das anwaltliche Werbeverbot des § 43b BRAO richtig zu beachten. In Einzelfällen können sich insoweit Verbotsgründe ergeben, vgl. BGH I ZR 15/12, U. v. 13. November 2013. Wie ein Rechtsanwalt angesichts dessen an Mandate gelangen kann, muss er sich gut überlegen.

In 2008 standen Kapitalanlegerschutzkanzleien noch nicht diejenigen Möglichkeiten zur Verfügung, die heute – zum Teil in rechtlich bedenklicher Weise – genutzt werden. Heute ist es gängig, dass eine Kapitalanlegerschutzkanzlei für einen Mandanten Daten der Mitanleger beim Emittenten oder Treuhänder herausverlangt. Ebenso gängig ist, dass Anleger aufgrund einer mittlerweile konkretisierten bzw. gelockerten Beurteilung des § 43b BRAO direkt angeschrieben und von Kanzleien auf bestimmte Probleme der Anlage oder Rechtsfragen „hingewiesen“ werden, wobei es mittlerweile durchaus einen gewissen Spielraum gibt. In 2008 war es eher gängig, dass Kapitalanlegerschutzkanzleien auf sich aufmerksam machten, indem sie Beiträge veröffentlichten in einschlägigen Medien oder dass ein Verein Anleger anschrieb und über kurz oder lang eine Kanzlei empfahl. Es kam auch vor, dass eine Kapitalanlegerschutzkanzlei im Auftrag eines Mandanten Strafanzeige erstattete und später Einsicht in die Ermittlungsakten nahm und so an Anlegeradresse gelangte. Aus dieser Zeit stammt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg.

Das darin angesprochene Erfordernis, dass die getroffenen Tatsachenbehauptungen wahr sein müssen bzw. nicht falsch sein dürfen, insbesondere wenn sie geeignet sind, den Betroffenen zu schädigen, gilt indes heute noch genauso. Dies korrespondiert auch mit dem Sachlichkeitsgebot des Rechtsanwalts. Die Einhaltung der Vorschiften des UWG, der anwaltlichen Berufsordnung, des BDSG sowie bestimmter zivilrechtlicher Pflichten sind umso wichtiger, je mehr Möglichkeiten Kapitalanlegerschutzkanzleien haben, um mit potenziellen Mandanten in direkten Kontakt zu treten. Beispielsweise darf die Möglichkeit der Datenherausgabe eines Anlegers nicht nur dazu eigenmächtig missbraucht werden, um der vertretenen Kanzlei Mandate zu generieren, vgl. BGH II ZR 136/11, U. v. 5. Februar 2013 Rn. 40.

 Das Landgericht Hamburg hat zutreffend heraus gestellt, dass wettbewerbsrechtliche Belange auch im Verhältnis von werbendem Rechtsanwalt zum Anbieter oder Emittenten von Bedeutung sein können. Das ist dann der Fall, wenn die „potentiellen Abnehmer der Produkte – Fondsanteile einerseits, Rechtsberatung und -vertretung hinsichtlich des Erwerbs von Fondsanteilen andererseits“ gleich sind. Das wiederum dürfte regelmäßig dort in Frage kommen, wo Rechtsanwälte auf die Anleger eines noch im Vertrieb befindlichen Produkts abzielen. Es kann gemäß der Urteilbegründung im Einzelfall „ein konkretes, wenn auch mittelbares Wettbewerbsverhältnis im Sinne der §§ 4 Nr. 8, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG“ vorliegen. Denn es sind „im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes (…) an das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen; es wird daher insbesondere keine Branchengleichheit vorausgesetzt (BGH GRUR 2004, 877, 878)“. Dies ergibt sich auch aus der Formulierung des BGH aus BGH I ZR 51/04, Rn 14: „Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest angrenzenden Branchen begründet.“

Das Landgericht Hamburg leitete den Unterlassensanspruch auch aus § 824 BGB ab. Daran anknüpfend kann man bei Vorliegen einer unlauteren Handlung mithin die Frage nach dem möglichen Schadenersatz wegen Kreditgefährdung diskutieren. Insbesondere bei der steigenden Anzahl von Nachrangdarlehensnehmern ist dies eine spannende Frage.

Emittenten sollten diese Entscheidung und die darin enthaltenen Erwägungen im Auge behalten, wenn sie der Ansicht sind, dass auf Kapitalanlegerschutz spezialisierte Rechtsanwälte möglicherweise unwahre Tatsachenbehauptungen aufstellen und damit auf potentielle Mandanten bzw. die Anleger der Emittenten zielen.

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